Untersuchung des Mausgefäßsystems mittels MR-Angiographie  
Hintergrund
 
Die Untersuchung von Gefäßveränderungen bedarf in der Regel aufwendiger, morphometrischer Analysen anhand immunhistochemischer Schnitte zur Bestimmung der Gefäßflächen post mortem, deren Übertragung auf in-vivo-Bedingungen nur in begrenztem Rahmen möglich sind. Darüber hinaus handelt es sich hier lediglich um Endpunktbestimmungen, die keine Aussage über die Kinetik solcher Veränderungen erlauben. Ein prinzipielles Problem bei der Auswertung der histologischen Schnitte ist, daß es hierbei unvermeidlich zu partiellen Zerstörungen und Deformationen des Gefäßes kommt, die zu erheblichen Fehlern bei der planimetrischen Bestimmung der intravaskulären Flächen führen können. Aus diesen Gründen haben wir ein Meßprotokoll zur hochauflösenden 3D-MR-Angiographie (MRA) an der Maus etabliert, mit dem repetitiv und nichtinvasiv dynamische Veränderungen in der Gefäßmorphologie in vivo verfolgt werden können.
 
  Abbildung links:

Beispiele für postprozessierte angiographische 3D-MR-Datensätze: (a) Halsschlagadern; Voxelgröße = 13 nl, Meßzeit = 4.1 min, Rekonstruktion: Volumenrenderung. (b) Gefäßsysteme in Mäusekopf und -pfoten; Voxelgröße = 2.3 nl, Meßzeit = 12.3 min, Rekonstruktion: Oberflächenrenderung.
Wie im rechten Bild gezeigt, läßt sich durch Lichteffekte ein verstärkter räumlicher Eindruck erzeugen. Segmentierte Bereiche sind durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet und können separat quantifiziert werden.

 
 
 
Akquisition der Meßdaten
 
 
Das MRA-Protokoll basiert auf einer flußkompensierten 3D-Gradientenechosequenz mit anwendungsabhängiger Auflösung, die in Voxelgrößen zwischen 1 und 13 nl (ohne Zerofilling) resultiert. Eine Minimierung der Meßzeit stand bei der Erstellung des Protokolls immer im Vordergrund, um konstante physiologische Bedingungen zu gewährleisten. Darüber hinaus wurden die Messungen ungetriggert durchgeführt. Wie in zusätzlichen Experimenten gezeigt werden konnte, zeigt sich bei der Quantifizierung kein Trend zu größeren oder kleineren Volumina im Vergleich zu EKG- und/oder respirationsgetriggerten Sequenzen. Bei letzteren steigt die Meßzeit darüber hinaus erheblich an und führt durch verminderte Sättigung des Hintergrunds zu einem deutlich reduzierten Kontrast-zu-Rausch-Verhältnis (CNR, vgl. nebenstehende Abbildung; SNR=Signal-zu-Rausch-Verhältnis).  
Alle Messungen wurden ohne Kontrastmittel durchgeführt, um sowohl eine zeitliche Inkonstanz des CNR als auch eventuell auftretende toxische Seiteneffekte vermeiden zu können. Darüber hinaus ist die Applikation von Kontrastmittel bei einer Maus aus folgenden Gründen generell problematisch: Zum einen ist es schwierig, wohldefiniert ein kleines Volumen (100-300 µl) innerhalb des Magneten intravenös zu injizieren, da man relativ dazu mit einem großen Totraumvolumen zu kämpfen hat. Ohne permanenten Fluß besteht zudem die Gefahr, daß die Zuleitung bereits vor der gewünschten Kontrastmittelgabe durch Blutgerinnung verstopft wird. Zum anderen führt das relativ zur geringen Blutmenge (~2 ml) hohe Herzzeitvolumen (~20 ml/min) zu einer extrem schnellen Verteilung aus den Gefäßen in das diese umgebende Gewebe, so daß der gewünschte Kontrastgewinn nur von kurzer Dauer ist.
Während die letztgenannten Punkte sich auf intravenöse Kontrastmittelgabe beziehen, gibt es noch die Möglichkeit, intraperitoneal (in die Bauchhöhle) oder intramuskulär zu injizieren. Hier geht die Abgabe an den Blutkreislauf allerdings sehr langsam vonstatten, so daß der Kontrastverlauf ein breites und nur wenig ausgeprägtes Maximum aufweist. Weiterhin ist eine Leeraufnahme schwer zu realisieren, da die Maus nach Kontrastmittelgabe exakt repositioniert werden muß.
 
 
 
Darstellung & Auswertung von 3D-Datensätzen
 
 

 

 
  Nach Beendigung der Datenakquisition und erfolgter Rekonstruktion liegt ein 3D-Datensatz in Form eines Stapels tomographischer Bilder vor, den man entweder schichtweise betrachten oder mittels Nachbearbeitung (Postprozession) dreidimensional darstellen kann. Bei der ersten Option lassen sich neben den bereits vorliegenden beliebig im Raum orientierte Schichten berechnen und darstellen (MPR = Multiplanar Reconstruction). Die einfachste Möglichkeit, eine 3D-Impression zu erzeugen, besteht im Erstellen einer Projektion, in der für jedes Pixel diejenige Intensität verwendet wird, die auf der Sichtlinie (senkrecht) nach hinten dem Maximalwert entspricht. Diese, als Maximalintensitätsprojektion (MIP) bezeichnete Darstellung kann für verschiedene Blickwinkel konstruiert werden, so daß man durch Aneinanderhängen der Einzelbilder den Eindruck eines rotierenden Gefäßsystems bekommt. Die nebenstehende Animation zeigt einen solchen Datensatz, in dem der Aortenbogen und die von diesem ausgehenden Karotiden (Arteriae Carotis, Halsschlagadern) einer Maus dargestellt sind.
Die MIP-Darstellung, die ohne Angabe von Parametern seitens des Anwenders direkt aus dem Datensatz erstellt werden kann, ist für die schnelle Beurteilung eines Gefäßsystems ein wichtiges Hilfsmittel. Dies gilt vor allem, wenn man an größeren Gefäßen interessiert ist, während kleine Gefäße durch das beschriebene Prinzip immer in den Hintergrund rücken, was zu Fehldarstellungen in der räumlichen Struktur führen kann.
3D-MIP-Darstellung der Halsschlagadern im Bereich des Aortenbogens der Maus (Repetitionszeit: 30 ms, Echozeit: 2.9 ms, Pulswinkel: 35°, Sichtfeld: 3×3×1.5 cm3, Matrix: 128×128×64, Aufnahmezeit: 4.1 min).
 
Eine für solche Fälle adäquatere Darstellung ist durch die Oberflächenrenderung gegeben, die (in ihrer einfachsten Form) nach Definition eines Intensitätsintervalls durchgeführt werden kann. Durch die Berechnung der Oberfläche, bei der der räumliche Eindruck oft durch Lichteffekte simulierende Schattierungen (SSD = Surface Shaded Display) verstärkt wird, kann die ursprüngliche Datenmenge erheblich reduziert werden, obwohl es sich hier im Gegensatz zur MIP um eine echte 3D-Datenstruktur handelt. Diese Reduktion ist naturgemäß mit einem Verlust an Information verbunden, der insbesondere dann ins Gewicht fällt, wenn die Gefäße volumetrisch quantifiziert werden sollen. In solchen Fällen verwendet man daher die sogenannte Volumenrenderung, bei der ein vollständiges 3D-Feld im Speicher gehalten werden muß, das neben der Helligkeits- oder Farbinformation (RGB) auch einen Wert für die Deckkraft eines Volumenelements (Voxels) enthält. Somit ist diese Art der Darstellung sehr speicher- und rechenintensiv, was aber bei Verwendung adäquater Rechner mit geeigneten Grafikkarten heutzutage kein Problem mehr darstellt.
Volumenrenderung der 3D-Datensätze sowie die nachfolgende Auswertung werden bei uns mit Hilfe eines Softwaremoduls namens "Angiotux" bewerkstelligt, das in Kooperation mit dem Institut für Informatik der HHU Düsseldorf entstanden ist (mehr Information erhalten sie hier). Mit diesem Programm können Gefäßabschnitte definierter Länge segmentiert und volumetrisch quantifiziert werden. Als Segmentierung bezeichnet man dabei die Zusammenfassung benachbarter Pixel oder Voxel nach einem bestimmten Homogenitätskriterium zu Regionen, die meist durch individuelle Farbkodierung visualisiert werden.
Ein die Karotiden darstellender Datensatz ist in segmentierter Form im linken Teil des Bildes am Anfang dieser Seite zu sehen (Volumenrenderung; Meßparameter, siehe 3D-MIP-Darstellung oben). Zum Vergleich ist rechts davon ein MRA-Bild der Gefäßsysteme in Kopf und Vorderpfoten einer Maus mit höherer Auflösung abgebildet (SSD-Renderung; Meßparameter: Repetitionszeit: 23 ms, Echozeit: 3.3 ms, Pulswinkel: 30°, Sichtfeld: 3×2.56×2.56 cm3, Matrix: 256×256×128, Aufnahmezeit: 12.3 min).
 
 
 
Stenosenbildung nach Verletzung
 
 
Im Rahmen einer Kooperation mit dem Institut für Molekulare Herz-Kreislauf-Forschung der RWTH Aachen wurde der Zeitverlauf von Stenosenbildungen in der Arteria Carotis verfolgt. Hierzu wurde ein etabliertes Verletzungsmodell verwendet: die Denudation des Gefäßes mittels eines flexiblen Drahtes. In der nebenstehenden Abbildung sind die MRI-Bilder einer Maus an verschiedenen Tagen nach Verletzung der linken Halsschlagader dargestellt.  
Wie man deutlich erkennt, führt in diesem Fall die Verletzung initial zu einem kompletten Verschluß der Arterie, wobei sich der Fluß im Anschluß kontinuierlich wieder aufbaut. Dieser Effekt wird höchstwahrscheinlich durch einen Thrombus bewirkt, der anfänglich das Gefäß verschließt, dann aber rekanalisiert wird, so daß wieder ein Blutfluß erfolgen kann. Zur Evaluierung der MR-Volumina wurden vier Wochen nach Verletzung bei fünf Tieren die Karotiden entnommen und histologisch quantifiziert. Ein Vergleich der histologischen mit den MR-Daten lieferte eine sehr gute Korrelation (R2=0.970).
 
 
 
Arteriogenese nach Hinterlaufischämie
 
 
 

Jeder Datensatz besteht aus 5 überlappenden Scans mit je folgenden Parametern: Repetitionszeit: 23 ms, Echozeit: 3.5 ms, Pulswinkel: 35°, Sichtfeld: 2.56×2.56×0.64 cm3, Matrix: 256×256×64, Aufnahmezeit: 6.2 min.

  Mit Hilfe von MRA-Messungen kann der Verlauf der Arteriogenese nach Ischämie beobachtet werden. Dazu wurde ein weiteres, etabliertes Verletzungsmodell verwendet, bei dem die Blutversorgung des Hinterlaufs der Maus durch permanenten Verschluß der Arteria Femoralis zum Erliegen kommt. Mit Hilfe der MR-Bildgebung konnte anschließend die Entwicklung größerer Arterien aus Arteriolen verfolgt werden, die den Fluß in den unterversorgten Gebieten langsam wiederherstellen. Der Ort der Femoralisligatur ist in der nebenstehenden Abbildung (oben links) markiert, in der man die Gefäßverläufe in beiden Hinterläufen detailliert dargestellt sieht. Neu ausgebildete Kollateralgefäße sind grün segmentiert, wobei die Seitenansicht (oben rechts; rote und blaue Segmentationen wurden hier ausgeblendet) die für die Arteriogenese typische "Korkenzieherstruktur" besser erkennen läßt. Um den Einfluß individueller Unterschiede in Tiergröße oder Gefäßgeometrie zu minimieren, wurde das Gesamtvolumen der segmentierten Gefäße normalisiert, indem das Verhältnis zu einem anatomisch exakt definierten Abschnitt auf der unverletzten Seite (blau) gebildet wurde. Der Zeitverlauf für die Ausbildung von Kollateralgefäßen nach Hinterlaufischämie ist fär eine Maus im unteren Bild dargestellt (nur verletzte Seite).
 
 
 
Eigene Arbeiten zur Gefäßbildgebung
 
 
Eine vollständige Übersicht über die in den letzten Jahren von uns publizierten Arbeiten finden Sie hier. Die Literaturstellen sind verlinkt mit den PubMed-Abstracts der National Library of Medicine. Wenn Sie Interesse an einer dieser Arbeiten und keinen Online-Zugang zu der entsprechenden Zeitschrift haben, senden Sie uns eine Email, damit wir Ihnen eine PDF-Datei zukommen lassen können.

 

Methodische Arbeiten
 
Jacoby C, Flögel U.
MR for the investigation of murine vasculature.
Methods Mol Biol. 2011; 771: 439-56.
 
Jacoby C, Böring YC, Beck A, Zernecke A, Aurich V, Weber C, Schrader J, Flögel U.
Dynamic changes in murine vessel geometry assessed by high-resolution magnetic resonance angiography: a 9.4T study.
J Magn Reson Imaging. 2008; 28: 637-45.
 
Anwendungen
 
Böring YC, Flögel U, Jacoby C, Heil M, Schaper W, Schrader J.
Lack of ecto-5'-nucleotidase (CD73) promotes arteriogenesis.
Cardiovasc Res. 2013; 97: 88-96.
 
Assmann A, Akhyari P, Delfs C, Flögel U, Jacoby C, Kamiya H, Lichtenberg A.
Development of a growing rat model for the in vivo assessment of engineered aortic conduits.
J Surg Res. 2012; 176: 367-75.
 
Kuhn M, Völker K, Schwarz K, Carbajo-Lozoya J, Flögel U, Jacoby C, Stypmann J, van Eickels M, Gambaryan S, Hartmann M, Werner M, Wieland T, Schrader J, Baba HA.
The natriuretic peptide/guanylyl cyclase - a system functions as a stress-responsive regulator of angiogenesis in mice.
J Clin Invest. 2009; 119: 2019-30.
 
 
Über uns Datenschutz Kontakt